Abgrenzung nach Rechts!

Verschwörungsdemonstrationen und linke Gegenproteste in Frankfurt

An diesem Samstag fanden in Frankfurt gleich drei Demonstrationen statt. Darüber hinaus waren zahlreiche Stände und Mahnwachen angemeldet. Auf dem Paulsplatz und am Rossmarkt demonstrierten sogenannte „Kritiker der Corona-Maßnahmen“, die in den letzten Wochen auch verstärkt Zulauf aus dem rechten und verschwörungstheoretischen Milieu hatten. An der Hauptwache fand unter dem Motto „Aufklärung statt Angst und Hetze“ eine Gegendemonstration dazu statt.

An der Hauptwache hatten sich gegen 14h bereits ungefähr 300 Menschen angesammelt. Ein Redner proklamierte linke Forderungen in der Corona-Krise: Die Auflösung der Flüchtlingslager im Land und an den Außengrenzen, die Öffnung von Hotels in den Städten für Flüchtlinge und Obdachlose, die Vergesellschaftung des Gesundheitssystems und den Kampf für Arbeitsschutz für Alle.

Auf Transparenten und Plakaten wurde der Bezug auf die Proteste der anderen Seite deutlich. „Verschwörungstheorien sind tödlich“, „Ihr tut vielleicht kritisch, seid aber antisemitisch“, „Grenzenlose Solidarität statt Nazis“, hieß es dort. Vereinzelt hatten sich Demonstrat_innen der anderen Kundgebung dorthin verirrt, oder suchten den Kontakt. Über ihren Mundschutz hatten sie „Maulkorb“ geschrieben. Eine Demonstrantin diskutierte angestrengt, bei den Protesten würden schließlich auch Nazis mitlaufen, der Verirrte zeigte sich ungerührt, er würde da aber eben auch mitlaufen.

Auch am Opernplatz, an dem am vergangenen Wochenende u.a. der rechte Youtuber Henryk Stöckl unangemeldet eine Kundgebung veranstaltete, waren heute die Gegendemonstrant_innen eindeutig in der Überzahl.

Die Gegner der Corona-Maßnahmen trugen zum Teil Grundgesetze und Aluutensilien mit sich, auch Schilder mit pathetischen Proklamationen, die sich auf den Nationalsozialismus bezogen, „Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht“. Einige Demonstrant_innen trugen T-Shirts mit der Aufschrift „Gib Gates keine Chance“.

Ein Ausspruch, mit dem Bill Gates als omnipotenter Strippenzieher der Krise halluziniert und mit einem Virus gleichgesetzt wird. Der Aufdruck wird als strukturell antisemitisch kritisiert.

An der Hauptwache wurde ein Mann mit einem solchen T-Shirt und einem „Judenstern“ als Armbinde gesichtet. In der Mitte des gelben Sterns stand „ungeimpft“. Eine Selbstinszenierung als Opfer und gleichzeitig eine Relativierung des Holocausts.

Am Rossmarkt tauchten zwar auch die „Gib Gates keine Chance“-T-Shirts auf, aber man gab sich, scheinbar, moderat. „Nicht rechts, nicht links, wir sind für Grundrechte“ war auf einem Plakat zu lesen, aber auch „HR Spahn und FR Merkel sind die wahren Verschwörer“, „Corona-Wahn“, „Gegen Überwachung, Impfpflicht, EU-Immunitätsausweis“ und „Corona-Polizeistaat“ dazu ein paar Deutschlandfahnen und ein Mann mit einem T-Shirt „fröhlicher Patriot“.

Das Publikum setzte sich aus Leuten im Rentenalter, Familien, aber auch jungen Menschen zusammen, Männergruppen, einige adrett, andere mit Glatzen.

Im Laufe der Kundgebung versammelten sich am Rossmarkt etwa 200 Personen, kaum einer der Teilnehmenden trug eine Maske, oder hielt Abstand. Am Rand sammelten sich etwa 100 Gegendemonstrant_innen und skandierten „Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda“ und „Alle zusammen gegen den Faschismus“.

Der Anmelder der Demonstration der Gegner gegen die Corona-Manahmen, Hajo Köhn, war bis vor kurzem Mitglied bei Attac.

Köhn sprach das Publikum auf vertrauliche Weise an. Er sei Teil verschiedener sozialer Bewegungen gewesen, wie Occupy und gegen TTIP und habe „geschworen, dass er nie wieder zulässt, dass eine Bewegung in falsche Hände gerät“.

Er „zähle in der Stadt als Linker“ und versicherte gleichzeitig „mich interessiert keine politische Couleur“. Er mache sich Sorgen, dass auf die Corona-Krise eine Finanz- und Wirtschaftskrise folge, eigentlich gäbe es ja auch schon eine Datenkrise. Er dulde keine „rassistische, nationalsozialistische oder antisemitische Propaganda“, aber er habe nichts dagegen, wenn auch Heidi Mund (Pegida) auf ihren Demonstrationen mitmarschiere.

Was die Gegenseite davon hielt, wurde durch die „Alerta Antifacista“-Rufe deutlich.

Köhn musste seine salbungsvolle Rede mehrfach unterbrechen. „Die Bewegung solle wachsen“, vielleicht würde man das nächste Mal einen größeren Platz eher außerhalb der Stadt wählen. Er wolle mit allen Betroffenen reden. „Wir nehmen das alle mal mit schweren, mal mit leichten Herzen wahr“, auch seine Frau sitze zuhause und „bibbere“. Er appellierte an alle „die Angst haben“. „Wir wollen zusammen da rauskommen“.

Dann wurde der Ton etwas ungemütlicher „Wenn die Bewegung scheitert, hat Frankfurt ein Problem“ und an die Presse gerichtet „wenn sie uns heute nicht loben, müssen sie kritisiert werden, ab heute!“.

Zu Bill Gates wollte er sich schließlich auch äußern. Der sei „Investor“, „Philantroph“, „Geschäftsmann“, auf einen unverständlichen Zuruf aus dem Publikum reagierte er begeistert. Gates habe „bevölkerungspolitische Ambitionen“ und bestimme maßgeblich die Gesundheitspolitik, weil der Staat über Jahre in der Gesundheitspolitik versagt habe. In der Vorbereitung auf die Pandemie sei nichts geschehen, derweil habe man Millionen an Gates bezahlt. Es gehe nicht um Gesundheitsschutz, man wolle nur Impfprogramme unter das Volk bringen. Er fordere öffentliche Aufklärung.

Unter lauten Rufen der Gegenproteste stellte er die rethorische Frage an sein Publikum, ob sie wollten, dass jemand aus dieser Gruppe des Gegenprotests das Mikrofon bekomme. Nach einem lautstarken „Nein“ schrie er sichtlich zufrieden in die Richtung der Gegendemonstrant_innen „Sie wollen euch nicht hören“.

Nach Köhn trat ein Mann mit kurzgeschnittenen Haaren und Anzug an das Mikrofon. Seine Stimme war bewegt, er schien den Tränen nahe. Er habe an der Börse gearbeitet „Ich war komplett Mainstream“. Es sei nun aber „derart offensichtlich was hier passiert“, „ich weiß nicht, ob ich das hier sagen darf…“. Man müsse sich Telegram installieren, der Content müsse sich verteilen. Schließlich kommt er wohl zum Punkt „Es wird keine Impfpflicht geben, sondern einen Impfzwang“.

Im Anschluss sprach eine Frau aus dem Gesundheitsbereich. Es gäbe „eine Zensur“. Wissenschaftler dürften nicht reden, sie würden diffamiert. Sie kenne das schon aus der „Mobilfunkkritikerbewegung“. Bestimmte Inhalte erhalte man nur noch auf „privaten“ Kanälen.

Als nächstes betrat eine Frau die Bühne, die betonte, extra aus Stuttgart angereist zu sein. Sie wolle, dass jeder zu Wort komme. Als ihre Rede auf Grund der Lautstärke der Gegendemonstrant_innen kaum noch zu verstehen war, begann sie selbst zu skandieren „Die SA ist wieder da, sie nennt sich heute Antifa“. Als es ruhiger wurde, verkündete sie „Corona ist harmloser als eine normale Grippe“, eine Grippe würde wesentlich mehr Todesopfer fordern, 80% hätten gar keine Symptome und das Durchschnittsalter der Toten sei über 80. Dann entdeckte sie wieder die Gruppe der Gegendemonstran_tinnen. „Da drüben sind die echten Faschisten“. Die Corona-Maßnahmen seien freiheitsberaubende Maßnahmen, seien „Faschismus 2020“.  

Der heutige Tag kann auf Grund der zahlreichen Gegenproteste als Erfolg gewertet werden. Dennoch ist es beunruhigend, dass Nazis, Verschwörungstheoretiker_innen und vermeintliche Linke, Versammlungen in der Frankfurter Innenstadt abhalten. Zu der Links-Rechts-Verwirrung bliebe vielleicht noch zu sagen, wer kein Problem damit hat, mit Nazis, Pegida-Anhänger_innen und Holocaustrelativierer_innen zu demonstrieren, ist nicht links. Wer einfache Feindbilder anbietet, Widersprüche ausblendet, auf der Suche nach Erklärungen ausschließlich personalisiert und einzelne Personen als „das Böse“ ausmacht, ist nicht links.

Abgrenzung nach Rechts!

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