Kämpfen lernen!

Der Dokumentarfilm „Luft zum Atmen“ erzählt die Geschichte der Gruppe GOG (Gruppe oppositioneller Gewerkschafter) die für den Betriebrat kandidierten und über Jahrzehnte erfolgreich Kämpfe um Arbeitszeit und Lohn bei Opel Bochum führten.

Die Filmemacherin Johanna Schellhagen hat aus Interviews und Archivmaterial eine gelungene Dokumentation erstellt.  

Opel Bochum wurde 1962 als größtes Produktionswerk in Europa gegründet. 1972 sammelte sich eine Gruppe aus Opelarbeitern mit verschiedenen politischen Hintergründen (KPD, linke Grüne und Sozialdemokraten) um für den Betriebsrat zu kandidieren.

Eine Besonderheit scheint die Struktur der Gruppe gewesen zu sein, die neben den Betriebratskandidaten eine hohe Zahl an Unterstützern um sich scharte, die gleichberechtigt an den Diskussions- und Bildungsprozessen teilnahmen. Es sei dort eine „bessere Atmosphäre als bei der Gewerkschaft“ gewesen, beschreibt ein Unterstützer. Die Beziehungen seien auf Augenhöhe gewesen.

Die Gründung der GOG fiel in eine Zeit zwischen zwei Massenstreiks, den von 1969 und den von 1973. Mit den 68ern habe man zudem auch eine starke Jugendbewegung im Rücken gehabt. Auch die Massenstreiks in Frankreich von 1968 werden erwähnt. „Von den 68ern an den Unis, hat es ja auch eine starke Orientierung auf die Arbeiterklasse gegeben. Einige sind auch in die Betriebe gegangen.“ so der GOG-Unterstützer Robert Schlosser. Durch diese „revolutionäre Stimmung“ habe man das Gefühl gehabt, es sei „eine gute Zeit um Forderungen zu stellen“.

In der GOG, bzw. beim Unterstützerkreis, seien viele gelandet, die „von Hause aus eine kommunistische Erziehung in den Knochen hatten“. Zudem habe es in den 1970ern bei Opel Bochum 2000 Arbeiter aus Spanien gegeben, die politisch auch eher links standen.

Ein ehemaliger Lehrling beschreibt, dass die Leute aus der GOG-Gruppe auch härter in den konkreten Auseinandersetzungen waren, „die haben gegenüber den Meister nicht Bitte, Bitte gesagt“.

Ihre Nähe zur Belegschaft und die kämpferische Haltung brachten der Gruppe beachtliche Erfolge ein. Konnten sie 1972 schon 2000 Stimmen (von 18.000) gewinnen und damit 5 Betriebsratssitze einnehmen, kamen sie 1975 auf ein Drittel der Stimmen.

Sie hätten eben „eine andere Art von Politik“ gemacht, konstatiert Johannes Szafranski (GOG) und damit auch die Gewerkschafter gezwungen gewesen „aus ihren Büros rauszukommen“. Die Zuspitzung zwischen der GOG und den anderen Betriebsratsmitgliedern sei jedoch immer schärfer geworden.

Auch unter den „Gastarbeitern“ gab es bei Bochum kämpferische Protagonisten. So gibt ein Unterstützer an, dass eine Rede des spanischen Arbeiters Andreas Lara ihn erst politisiert habe. Lara wurde allerdings dann fristlos entlassen. Die Gründe bleiben unklar.

Viele GOG-Mitglieder wurden wegen ihrer Aktivitäten aus der Gewerkschaft ausgeschlossen.

Als Konfliktpunkt mit der IG-Metall wird immer wieder genannt, dass die Gewerkschaften, mit ihrer Position die Konkurrenzfähigkeit deutscher Unternehmen erhalten zu müssen, den Arbeiterinteressen eklatant entgegenstanden. Die sogenannte Sozialpartnerschaft sei zu Lasten der Arbeitnehmer geschlossen worden. Das Agitieren der Gewerkschaften gegen unliebsame Arbeiter sei so weit gegangen sein, dass die Gewerkschaft sich an der Erstellung schwarzer Listen beteiligte, um „Unruhestifter“ aus den Betrieben herauszuhalten.   

Der Erfolg der Betriebsgruppe war jedoch auch an die wirtschaftliche Lage gebunden.

Die Wirtschaftskrisen 1973/74 und 1978/79 seien nicht spurlos an ihnen vorbeigegangen. „Die Aufmüpfigkeit war nicht mehr vorhanden“, beschreibt ein Unterstützer.

Ab den 1990ern Jahren habe das Ausspielen der verschiedenen Standorte gegeneinander begonnen. Die Produktionskosten in Deutschland, England, Spanien, Mexiko (wo sie nur noch 12% betrugen) seien verglichen worden und hätten auf Stellwänden ausgehangen, berichtet Wolfgang Schaumberg.

Dem hätten sie versucht durch Vernetzung entgegenzuwirken. Besuche in Frankreich, Spanien und England wurden unternommen, wie auch der Film dokumentiert.

2004 folgte einer der größten „wilden“ Streiks der Nachkriegsgeschichte. Die Drohung der Entlassung von 4000 Arbeitern führte zu einem Produktionsstopp von beinahe einer Woche. Da Opel Bochum damals ein Komponentenwerk gewesen sei, habe dies zu erheblichen Ausfällen bei allen GM-Werken in ganz Europa geführt. Allerdings wurde der Streik dann abgebrochen. Die Abstimmung sei autoritär von der Gewerkschaft organisiert gewesen. So habe es keine Diskussionsmöglichkeit vor der Abstimmung gegeben und die Abstimmungsvorlage sei so formuliert worden, dass die Arbeitsaufnahme und die Aufnahme von Verhandlungen mit der Geschäftsführung verbunden worden seien. Mit dem Abbruch des Streiks habe man den Trumpf aus der Hand gegeben.

Der Beschluss Opel Bochum zu schließen gehe auf eine Absprache der IG-Metall mit der Geschäftführung zurück, die gleichzeitig den Erhalt der anderen Standorte beinhaltete. Allerdings hätten sie die höchsten Abfindungen durchsetzen können, die je in Deutschland von einem Industrieunternehmen gezahlt worden seien.

Im Rückblick der gewonnenen und verlorenen Kämpfe fällt das Wort „Abwehrkämpfe“ gegen die ständigen Angriffe der Geschäftsführung, die die Namen Lohnverzicht, Ausgliederung (von Belegschaftsteilen), Massenentlassungen und Produktionssteigerung tragen.

In der abschließenden Diskussion wird dann aber noch mal der entscheidende Aspekt der Selbstermächtigung betont. Es gehe darum die Haltung „da kann man sowieso nichts machen, die machen doch eh was sie wollen“ beantworten zu können mit „Doch, da kann man etwas machen!“

Weitere Aufführungstermine:

Saarbrücken
Kino 8 1/2 (29. Januar 2020, 19h in Anwesenheit der Filmemacherin)

Bremen
Cinema am Ostertor (13.Februar 2020)

Rüsselsheim
Museum Rüsselsheim (5. Mai 2020 in Anwesenheit der Filmemacherin)

Kämpfen lernen!

Hinterlasse einen Kommentar