„Im Moment führen wir eine Fernbeziehung“

Deniz Yücel über sein neues Buch „Agentterrorist“ im Gespräch mit Christoph Amend auf der Frankfurter Buchmesse

#fb2019

Deniz Yücel war vom Februar 2017 bis Februar 2018 in der Türkei wegen des Vorwurfs der Terrorpropaganda inhaftiert. Der Prozess wurde jedoch erst im Juni 2018 eröffnet (die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft ist auf nur wenige Tage vor seiner Entlassung datiert). Nun wurde der Prozess nochmals vertagt.

Während seiner Haft habe er, so Yücel, immer einen fairen Prozess gefordert, nie eine Auslieferung. Auch die Ausreise habe er vorerst abgelehnt. Dabei ging es dem Autor wohl vor allem darum, die Absurdität seine Inhaftierung, die inzwischen auch vom türkischen Verfassungsgericht als rechtswidrig beurteilt wurde, zu skandalisieren.

Das erste Mal wurde Yücel nach einer Pressekonferenz, auf der er und andere Journalisten kritische Nachfragen stellten, in der Nähe der syrischen Grenze festgenommen. Die zweite Inhaftierung stand im Zusammenhang mit unliebsamen Veröffentlichungen zu Energieminister Berat Albayrak, der Schwiegersohn Erdoğans.

Yücel merkt an „Es reicht, wenn man ein ü, oder ein y im Namen hat und kritische Berichterstattung macht, um als Vaterlandsverräter zu gelten“. Seine Verhaftung habe damals auch vor dem Hintergrund der von Erdoğan durchgeführten Volksabstimmung gestanden, die dem Autokraten weitere umfassende Befugnisse verschaffte.  

Seine Freilassung habe wiederum in einer Situation stattgefunden, in der die wirtschaftliche Situation in der Türkei angespannt war und eine Verbesserung der Beziehungen zu den USA angestrebt wurde.

Während seiner Haft gelang es Yücel immer wieder Statements aus dem Gefängnis zu schmuggeln. Das sei für ihn äußerst wichtig gewesen, um auch als Journalist zu überleben und sich seine Handlungsfähigkeit zu bewahren. Schlagzeilen machte beispielsweise seine Aussage dass er für „schmutzige Deals nicht zur Verfügung stehe“. In dieser Zeit hatte sich das Gerücht verbreitet, dass die Freilassung Yücels an deutsche Waffenlieferungen an die Türkei gebunden werden könnten. Die angeblichen Verhandlungen hatten sich im Nachhinein als nicht existent herausgestellt. Seine Texte aus der Haft gingen sowohl an deutsche, als auch an türkische Medien.

Zur derzeitigen Lage merkt der Journalist an, dass er sich dennoch nicht gegen jegliche Investitionen in der Türkei ausspreche. Er sei „kein Freund der Verelendungstheorie“. Dennoch habe er auch damals die Solidarität von den großen Konzernen mit den Betroffenen von Menschenrechtsverletzungen in der Türkei vermisst.  

Yücels Prozess wurde nun bis in den Februar verschoben, sein Anwalt fordert einen Freispruch, während die Staatsanwaltschaft auf einer Haftstrafe von 18 Jahren beharrt. Yücel bemerkt abschließend in Bezug auf die Türkei, es sei schon eine „sehr intime Beziehung im Kerker eines Landes eingesperrt gewesen zu sein“, man könne auch sagen „im Moment führen wir eine Fernbeziehung“.

„Im Moment führen wir eine Fernbeziehung“